Was ist "MS"

Multiple Sklerose: eine T-zellvermittelte Autoimmunerkrankung?

Klinische Charakteristika

Die Bezeichnung Multiple Sklerose (MS) und ihr Synonym Encephalomyelitis disseminata beschreiben die wichtigsten Charakteristika dieser Krankheit: MS ist eine inflammatorische Entmarkungserkrankung des Zentralnervensystems (ZNS), die mit einer Bindegewebsvermehrung einhergeht. Die Krankheit tritt sowohl zeitlich als auch örtlich disseminiert auf, d.h. sie verläuft in den meisten Fällen schubförmig und manifestiert sich in einer multifokalen Symptomatik.

Die Markscheiden (Myelinscheiden) der Nervenzellfortsätze (Axone) werden im ZNS von Oligodendrozyten gebildet und gewährleisten eine hohe Leitgeschwindigkeit der elektrischen Potentiale. Die Symptomatik der MS wird bei intaktem Axon vermutlich durch eine herabge setzte Nervenleitgeschwindigkeit hervorgerufen, die Folge der Entmarkung (Demyelinisierung) ist.

Die Diagnose der MS wird anhand der Anamnese, der klinisch neurologischen Untersuchung, paraklinisch nachgewiesener Läsionen und des Liquorbefundes gestellt. Je nach der Anzahl der räumlich und zeitlich disseminiert nachgewiesenen Entmarkungsherde unterscheidet man die Bezeichnungen „sichere“ und „wahrscheinliche“ MS (Poser et al., 1983; Poser et al., 2001). Neben der am häufigsten vorkommenden schubförmigen Verlaufsform (Rezidivierend Remittierende MS (RRMS)) gibt es chronisch verlaufende MS-Formen. Geht eine RRMS in einen sich chronisch verschlechternden Zustand über, spricht man von Sekundär Progredienter MS (SPMS), während die von Beginn an chronisch verlaufende Form als Primär Progrediente MS (PPMS) bezeichnet wird.

Das Manifestationsalter der MS liegt meist zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr; Frauen sind ungefähr doppelt so häufig betroffen wie Männer.

MS gehört zu den epidemiologisch meist untersuchtesten Erkrankungen. Aus diesen Studien ergeben sich Hinweise auf eine genetische Anfälligkeit für MS. Verwandte von MS-Patienten zeigen ein erhöhtes Risiko, an MS zu erkranken. Zwillingsuntersuchungen haben gezeigt, dass eineiige Zwillinge mit einer Konkordanzrate von ca. 30% eine ungefähr sie­benfach höhere Erkrankungswahrscheinlichkeit haben als zweieiige Zwillinge. Daneben gibt es Anhaltspunkte für die Beteiligung eines Umweltfaktors. So ist die starke Diffe­renz der Prävalenzen in Abhängigkeit der geographischen Lage auffällig: Um den Äquator beträgt sie 1:100 000, in Nordeuropa und -amerika 50:100 000.

Indizien für eine Autoimmungenese der Multiple Sklerose

Autoimmunerkrankungen sind Krankheiten, in denen das Immunsystem körpereigene Strukturen nicht als „Selbst“ erkennt und sie daher als „Fremd“ bekämpft. Es gibt im wesentlichen drei Hinweise, die für eine Autoimmungenese der MS sprechen: erstens die im Tiermodell gezeigte T-zellvermittelte Pathogenese, zweitens die Assoziation der MS mit bestimmten HLA-Typen und schließlich der Erfolg immunmodulatorischer Therapien bei MS.


Prim. Doz. Dr. Christian Lampl


Artikel über MS (Multiple Sklerose) - Zeitschrift "gesund & fit" - Ausgabe: 30.3.15

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